„Aber gedacht habe ich viel an dich“ – Der Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und seiner Mutter
- Molino Redakteur
- 11. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Sept.

Mit der Publikation „Aber gedacht habe ich viel an dich“ erscheint erstmals der vollständige Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und seiner Mutter Marie Hesse in einer eigenständigen, sorgfältig edierten Ausgabe. Herausgegeben von Ulrike Mross und betreut von der Hermann-Gundert-Gesellschaft und dem Förderverein des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Universität Tübingen, unterstützt von der Berthold Leibinger Stiftung, eröffnet der Band einen selten intimen Blick auf das Innenleben des späteren Nobelpreisträgers – und auf das seiner prägendsten Bezugsperson.
Die Grundlage der Edition bildet der umfangreiche Briefbestand des Deutschen Literaturarchivs Marbach, ergänzt durch bislang nicht berücksichtigte Dokumente. Die über 180 Briefe von Marie Hesse, ergänzt um zahlreiche Briefe ihres Sohnes, zeichnen ein vielschichtiges Bild der familiären, emotionalen und geistigen Beziehung der beiden.
Im Zentrum steht eine außergewöhnliche Mutterfigur, die zwischen religiösem Pflichtgefühl, persönlichem Verzicht und unerschütterlicher Liebe zu ihren Kindern ihren Alltag meistert. Hermann Hesse, selbst oft mit Krankheit und Zweifeln kämpfend, begegnet ihr mit einem Wechselspiel aus Nähe, Rebellion, Schuldgefühl und Zärtlichkeit. Besonders aufschlussreich sind jene Passagen, in denen er selbstkritisch auf seine Jugend zurückblickt – etwa wenn er den Verlust ganzer Briefjahrgänge eingesteht, die er aus Zorn verbrannt hat.
Die Leserinnen und Leser erwarten nicht nur Briefe, sondern ein vielschichtiges Zeitdokument über familiäre Bindung, das Heranwachsen eines Dichters – und über die Kraft des geschriebenen Wortes, Nähe über große Distanzen hinweg herzustellen. Eine typische Mutter-Sohn-Beziehung eben.
Als Kostprobe: Hermann Hesse im Alter von 10 Jahren an seine Mutter.
Calw, 6. Mai 1888
Liebe Mama!
Ich habe gehört, daß Du u. Adele gut angekommen bist. Ich will Dir auch ein wenig schreiben. Papa ist in der Kirche. Es scheint als ob es schönes Wetter wird. Gestern waren wir in Hirsau u. gingen auf dem Heimweg auf die Mistjagd. Ich habe 2 Schiffchen gemacht aus Rinde ausgeschnitten u. ausgehöhlt. Jetzt kommen noch Mastkräne u. Seegel drauf. Bleibt nicht zu lange fort. Sagt viele Grüße an Karl in Tübingen.
Viele Grüße von Hermann
Bitte bald Antwort!


