Das unglaubliche Leben des K.A. Groß
- Molino Redakteur
- 12. Feb.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Sept.

Von Dr. Björn Mensing, Pfarrer und Historiker
Als schwuler Pfarrer 1931 aus dem Kirchendienst entfernt – wegen Druck und Verbreitung hunderttausender NS-kritischer Schriften und Postkarten von 1939 bis 1945 im KZ – seine geheimen Tagebücher entlarven den SS-Terror in Dachau.
Gottesdienst zum 70. Todestag von Karl Adolf Groß Sonntag, 16. Februar 2025, 11 Uhr, Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Karl Adolf Groß, geboren 1892 in Schwäbisch Hall, studierte ab 1915 Theologie, unterbrochen durch Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. 1924 bestand er das Examen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und diente als Vikar in mehreren Gemeinden. 1927 erhielt er seine erste Pfarrstelle bei Ravensburg. Besonders aktiv war er in der Jugendarbeit. Der junge Pfarrer fand Anerkennung in der Gemeinde.
Seinem Dekan „beichtete“ er seine Homosexualität. Die Kirche ordnete ein ärztliches Gutachten an, das ihm menschenverachtend „krankhafte Minderwertigkeit“ attestierte. Die erzwungene Geheimhaltung führte zu Erpressungen und seelischen Nöten. Die Kirchenleitung leitete ein Disziplinarverfahren ein und setzte ihn unter Druck. Schließlich beantragte er im März 1931 seine Entlassung aus dem Kirchendienst.
Ohne Versorgung stand er auf der Straße. Er ging nach Berlin und hielt sich als Handelsvertreter einer Bausparkasse über Wasser. Dort gründete er den Verlag „Der Freie“, gab die Schriftenreihe „Der Freie – Blätter für freie Menschen und solche, die es werden wollen“ heraus und verbreitete in der NS-Zeit in hoher Auflage regimekritische Texte der Bekennenden Kirche, die sich gegen die völlige Gleichschaltung der evangelischen Kirche stellte. Besonders verbunden war er mit Pfarrer Martin Niemöller.
1937 holte ihn seine Vergangenheit ein. Er wurde wegen des berüchtigten § 175 verhaftet, verhört und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.
Die Verbreitung einer Schrift gegen den NS-Chefideologen Alfred Rosenberg in einer Auflage von 250.000 Stück führte zu einer ersten politischen „Schutzhaft“. Im August 1939 wurde er erneut verhaftet. Als „staatsabträgliches Verhalten“ wurde ihm zur Last gelegt, dass er zum zweiten Jahrestag von Martin Niemöllers Verhaftung kritische Predigtzitate des im KZ Sachsenhausen Eingesperrten in einer Auflage von einer halben Million auf Kunstpostkarten gedruckt und in ganz Deutschland verteilt hatte.
Karl Adolf Groß kam ins KZ Sachsenhausen, im September 1940 nach Dachau. Hier blieb er bis zur Befreiung am 29. April 1945.
Seine heimlich verfassten Tagebucheinträge veröffentlichte er, literarisch bearbeitet, im Neubau-Verlag, den er in München gegründet hatte. Sie erschienen in gekürzter Fassung bei Molino.
Karl Adolf Groß starb an den gesundheitlichen Spätfolgen der KZ-Haft am 16. Februar 1955 in München auf dem Weg ins Krankenhaus. Er wurde nur 62 Jahre alt.
Kirchenrat Dr. Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, erinnert mit Zitaten von Karl Adolf Groß an den widerständigen Theologen und Verleger, dessen Entfernung aus dem Pfarrdienst durch die homophobe Kirchenleitung erst seit wenigen Jahren bekannt ist. Karl Adolf Groß gehört bis heute in der breiten Öffentlichkeit zu den großen Unbekannten des Widerstands, obwohl seine Protestpostkarten vermutlich die größte publizistische Widerstandsaktion im Dritten Reich war.



