Kurt Oesterle, Der Fernsehgast. Roman – neu bei Molino
- Tobias Prasser

- 13. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Mit heutigen Augen gelesen, handelt es sich bei diesem vor fast einem Vierteljahrhundert zum ersten Mal erschienenen Roman um die Geschichte eines neunjährigen Jungen vom Dorf, der von seiner Medienfaszination überwältigt wird. Seine Eltern besitzen keinen Fernseher, weil sie fürchten, daß ihr Sohn von ihm verdorben wird – stattdessen soll er lesen! Doch der Junge streunt durch das Dorf und verschafft sich Mal um Mal Einlaß bei Fernsehgastgebern, um sich in ihren Wohnstuben seinen ersehnten Genuß zu verschaffen, stets begleitet von einem schlechten Gewissen, zumal er seine Eltern auf Schritt und Tritt belügt. Immer stärker ist er mit der Zeit der Wucht der Fernsehwelt und ihrer Bilder ausgeliefert, die ihn bis tief hinein in psychische Reaktionsmuster prägen und bestimmen. Und selbst der Blick auf seine Familie sowie die soziale Umwelt seines Dorfs wird von der Macht des neuen Mediums allmählich verändert, ja deformiert. So gerät der Junge immer tiefer hinein in einen Konflikt, in dem er lernen muß, aus den technischen Errungenschaften der Gegenwart seinen Nutzen zu ziehen und Schaden von sich abzuwenden.
Stimmen zu diesem Roman nach dem ersten Erscheinen
Ein Buch, das mich wie kein anderes in den letzten Jahren ergriffen hat.
Walter Jens
(Literaturkritiker)
Ein feines, zartes Buch. Eine sehr lebendige, sensible Skizze aus den Kinder- und Pubertätsjahren der Republik.
Der Spiegel
Das Fernsehen als Metapher der Moderne und Inbegriff kindlicher Sehnsucht. Ein wichtiges Buch, eine universelle Geschichte – und sehr, sehr schön erzählt, voller Sprachbrillanz.
Deutschlandradio
Ein hochkarätiger Debüt-Roman über eine Generationserfahrung, mit der sich erstaunlicherweise noch kein Autor ähnlich intensiv befaßt hat.
SWR-Bestenliste
(auf der das Buch mehrere Wochen stand)
Die Demokratie meint es gut mit den Menschen. Sie möchte sie heben, denken lehren und befreien, möchte der Kultur den Charakter eines Vorrechtes nehmen und sie ins Volk tragen – sie ist auf Erziehung aus. Erziehung ist ein optimistisch-menschenfreundlicher Begriff – die Achtung vor dem Menschen ist unabtrennbar von ihm. Sein menschenfeindlicher, menschenverächtlicher Gegenbegriff heißt Propaganda. Diese soll verdummen, betäuben, einebnen, um das diktatorische System an der Macht zu erhalten.
Die Demokratie ist nicht intellektualistisch … Demokratie ist Denken, aber es ist ein dem Leben und der Tat verbundenes Denken, sonst wäre es nicht demokratisch, und eben hier ist die Demokratie neu und modern. Handle als Denker und denke als Handelnder – das ist eine durch und durch demokratische Devise!
Ich will dem Namen der Demokratie einen weiten Sinn geben – weiter als der rein politische Klang dieses Namens zunächst vermuten läßt; denn ich knüpfe ihn an das Menschlichste, an die Idee und das Absolute, ich bringe ihn in Beziehung zu des Menschen unveräußerlicher und durch keine Gewalterniedrigung zerstörbarer Würde. Darum ist jede Bestimmung der Demokratie ungenügend, die sich im bloß Technisch-Politischen hält. Es ist ungenügend, das demokratische Prinzip als Prinzip der Majorität zu bestimmen und Demokratie allzu wörtlich als Volksherrschaft zu übersetzen, einem zweideutigen Wort, das auch Pöbelherrschaft bedeuten kann – und das ist die Definition des Faschismus. Es ist selbst noch unzulänglich, die demokratische Idee auf die Friedensidee zurückzuführen, die auch die Achtung vor den Rechten fremder Völker einschließe … Man muß höher greifen und die Demokratie als diejenige Staats- und Gesellschaftsform bestimmen, welche inspiriert ist von dem Gefühl und Bewußtsein der Würde des Menschen.
Thomas Mann, Vom zukünftigen Sieg der Demokratie (1938)


